2022-07-11

Gespräch mit der Künstlerin mit Beiträgen von Textmacher Borgfeld


Mit Jürgen Linke und Werner Kriete von Textmacher Borgfeld


















Gespräch mit der Künstlerin mit Beiträgen von Textmacher Borgfeld

am Sonntag 10.07. 2022 um 15 Uhr

Am Sonntag Nachmittag plaudern wir über die Kunstwerke der Ausstellung
mit Beiträgen von Werner Kriete und Jürgen Linke,
von Textmacher Borgfeld.

Eintrittt ist Frei

Wümmestube
Stiftungsdorf Borgfeld

Daniel-Jacobs-Allee 1
28357 Bremen-Borgfeld


Ausstellungstitel "KOMOPREBI"





















********** Texte von Werner Kriete  **********



Ohaijo gozaimas Nippon
6852 Inseln, vom subtropischen Strand bis zu den Skigebieten, man hat alle Möglichkeiten hier.
Und über allem tront  Fujijama San und der Kaiser.
Kultur, Geschichte, Hochtechnologie,
Samurai und Damaszenerklingen wie sie seit hunderten von Jahren von Schmiedemeistern gefertigt werden,
Sushi, hier ein Modeessen, in Japan von Spitzenkön-
nern gefertigt, die Ausbildung braucht acht lange Jahre.
Die Geheimnisse einer guten Sojasauce, über Generationen weitergegeben.
Mochi und Teezeremonie, Computer und Kalligraphie,0
Shinkansen und Geishas, japanischer Wiskie und Miso Ramen, Roboter und Zen, Pachinko und Kabuki.
Und die Filme Akiro Kuruzawas.
Mich erstaunt Japan und seine Menschen,
Mich verblüfft Japan und seine Menschen,
Mir geben Japan und seine Menschen Rätsel auf.
Ich fühle mich Japan und seinen Menschen verbunden.
Aber trotz allem:
Ich mag kein Sake und ich kann keine Haikus.


Ich sitze am Ufer des Sees, meine Angel ist
ausgeworfen.
Die Morgensonne schiebt vorsichtig den Nebel
beiseite, sie scheint durch die riesige alte Linde
hinter mir.
Dabei malt sie Sonnenkringel auf Ufer und Wasser.
Vorsichtig verbeugt sich die Pose, dann verschwindet
sie in einer gleitenden Bewegung unter der Wasser-
Oberfläche.
Der Nebel hat sich verzogen und die Sonnenkringel
werden intensiver.
Ich hole die Angel ein.
Ein wunderschön gezeichneter Flußbarsch, seine roten Flossen leuchten als würden sie brennen.
Ich befreie ihn vorsichtig vom Haken und setze ihn ins
Wasser zurück.
Kein Moment zum Sterben.
Was für ein Tag !
Komorebi !


Durch die Blätter der uralten Linde vor dem Fenster,
an dem mein Schreibtisch steht, wirft die Sonne
helle Flecken auf die Schreibunterlage.
Der Wind bewegt die Blätter und malt ein Kaleidoskop
auf meinen Schreibtisch und das leere weiße Blatt
vor mir.
Ich fange an, die Ideen, die ich kurz nach dem aufwachen hatte, auf das leere Blatt zu schreiben.
Der Wind frischt auf , die Kringel tanzen jetzt richtig
munter. Ich bin zufrieden mit dem bisher geschriebenen.
Was für ein Morgen ! Komorebi !



Der Hund, der auf seinem Bett geschlafen hat, ist
aufgewacht.
Er steht auf, gähnt und reckt und streckt sich aus-
giebieg.
Er kommt zu meinem Sessel, ich lese gerade meine Zeitung .
Vorsichig schiebt er seine Nase unter meine Hand, dann leckt er sie.Er viept leise.
Ja, ich komme !
Hose und Jacke an, Leine eingehakt und los.
Nach wenigen Minuten sind wir im Park.
Da ist unser Lieblingsplatz, die Bank nahe
dem riesigen alten Ginkobaum, durch dessen Blätterdach die Sonne scheint und Sonnenkringel auf den Rasen und das Fell des Hundes malt.
Es ist richtig warm geworden.
Wir genießen gemeinsam den Schatten, der Hund hält ein Nickerchen und ich genieße den Tag und den Moment.
Ich zähle die Sonnenflecken und döse auch darüber ein. Komorebi !


Die Sonne brennt, die Luft steht !
Häuserschluchten, eine Strassenbahn biegt kreischend um die Ecke,
Autos in einer endlosen Reihe, die Ampel wird grün,
drei Autos, dann stoppt es wieder. Rot !
Die Luft wird drückender !
Wir biegen um eine Ecke, ein kleines Stück vor uns ein
winziger Park.
Vier große Buchen und zwei Bänke.
Schatten, man meint, die Luft wäre besser.
Ein wenig Wind kommt auf !
Durch die vom Wind bewegten Blätter zeichnet die
Sonne wunderschöne Muster auf den Boden.
Wir setzen uns.
Eine Wohltat für Körper und Geist !
Dann fällt mir für diese einfallsreiche Spielerei der Natur, für die es keinen deutschen Namen gibt, der japanische Begriff wieder ein :
Komorebi !
 


 
**********  Texte von Jürgen Linke  **********


Impressionen einer Vernissage

Wir schreiben den 29. Mai 2022. Es ist ein Sonntag und der Tag von Yukis Vernissage in den Räumen des Borgfelder Stiftungsdorfes. Ein guter Ort, der schon manche Ausstellung von Künstlerinnen des Kulturforums Borgfeld gesehen hat. In wenigen Minuten, um 15:00 Uhr, ist Eröffnung. Die ersten Besucher sind schon da. Renate bietet Orangensaft an. Yuki, festlich gewandet, eilt durch den Raum. Hierin, dorthin, um noch Dinge zu richten und letzte Hand anzulegen. Flink ist sie und anmutig in der Bewegung.

Der Raum füllt sich. Männer tragen keine Schlipse mehr. Warum auch? Selbst den Bundeskanzler und seine Regierungsmänner sieht man meist oben ohne. Das lockert die Atmosphäre. Auch hier im Ausstellungsraum. Small talk mit einem Glas Saft in der Hand. Fast wie in einer der großen Galerien in Paris oder London oder New York. Da kann Borgfeld schon ein bisschen mithalten.

Ich nutze die Zeit bis zur Eröffnung für einen ersten Rundgang. An den Wänden sind Kleinformate gehängt mit kaligraphischen Motiven. Sind das alles Schriftzeichen mit einer bestimmten Bedeutung? Oder Phantasiegebilde, deren Entstehung von einem Schriftzeichen ausgelöst, provoziert wurde? Ich weiß es nicht. Aber es interessiert mich. Ich nehme mir vor, Yuki zu fragen, wenn dazu Gelegenheit ist.

Vor einem Bild verweile ich. Yuki hat mir einmal erklärt, dass die japanischen Schriftzeichen, die eigentlich chinesische sind, häufig stilisierte Formen von konkreten Dingen sind, etwa von einem Tier oder einer Pflanze. Mit etwas Phantasie kann man das zugrundliegende Bild rekonstruieren. Ob das hier auch geht? Ich bewege mich vor und zurück, nach links und rechts, um das Bild zu studieren. Plötzlich sehe ich eine Tänzerin, mit Ballettröckchen, auf den Zehen spitzen des einen Fußes eine Pirouette drehen. Der Körper leicht nach links gebeugt, ein Knie an gewinkelt. Eine graziöse Pose. Was aber soll der große Kreis, der wie ein gewaltiger Wasserkopf auf dem zierlichen Körper sitzt? Ich weiß, dass diese Frage - vielleicht schon die Assoziation - ungehörig sind. Vermutlich sieht ein anderer Betrachter etwas völlig anderes in dem Bild. Dann passt der Kreis auch besser. Wie dem auch sei. Das Bild fasziniert mich. Ich trenne mich erst, als Renate das Wort ergreift, um die Besucher zur Eröffnung der Ausstellung zu begrüßen.



Renate begrüßt, als Organisatorin der Ausstellung, die Gäste. Dann kommt Yuki. Auch sie fasst sich erfrischend kurz. Ein paar Worte zum Thema der Ausstellung. Wer weiß schon, was „M….“ heißt? Das muss erläutert werden. Einige Bemerkungen zu den Bildern. Das ist alles. Da ist ein Besucher, der selbst Kalligraphie macht, schon etwas ausführlicher. Offensichtlich jemand, der schon in Yukis Seminaren zur Kalligraphie gesessen hat und Freude an der Arbeit mit Tinte und Pinsel gefunden hat. In der Schar der Besucher sind auch Damen, die sich als Kalligraphie-Begeisterte zu erkenne geben. Mir will scheinen, dass sich unter den Besuchern eine Art Fangemeinde befindet, die sich in besonderer Weise für Yukis Kunst interessiert und sich bemüht, es der Meisterin gleichzutun. So gut es eben geht.

Ich kann das gut verstehen. Nach den einführenden Reden habe ich Muße, Yukis Arbeiten in aller Ruhe zu betrachten. Und: ich bekomme Lust, selbst solche Bilder zu machen. Ohne Zwang zur Gegenständlichkeit. Ich stelle mir vor, wie ich mit den traditionellen Werkzeugen der Kalligraphie umgehe: Pinsel, Reibschale, Tusche. Ob ich die Reibschale benutzen werde, weiß ich nicht. Ich glaube nicht, dass ich die Tusche selbst anrühren werde. Schon gar nicht mit Wein. Das soll es gegeben haben - habe ich bei Wikipedia gelesen.

Ich stelle mir vor, wie ich - ganz konzentriert auf mein Werk - über das Papier gebeugt das Bild entstehen lasse. Jetzt gibt es nur noch den Bogen vor mir. Ich bin gewissermaßen versunken in mein Tun. Das muss wunderbar sein. Führe ich den Pinsel? Oder werde ich geführt? Ich kann mir vorstellen, dass das Malen auch eine entlastende Funktion für die Seele hat. Darüber habe ich nichts bei Google gefunden; gleichwohl meine ich, eine spirituelle Dimension in den Bildern und in der Vorstellung von ihrer Entstehung zu entdecken. Ich denke schon, dass Kalligraphie helfen kann, zu innerer Ruhe zu gelangen. Die brauchen wir alle so dringend. Ich sollte mich auch in dieser Kunst üben.



„Komorebi“. Unter diesem Thema steht Yukis Ausstellung. Ich hatte - woher auch - keine v Vorstellung, was dieses japanische Wort bedeutet. Yuki erklärte mir, das sind Effekte, die entstehen, wenn Licht durch das Laub von Bäumen fällt.

Licht hat mich schon immer fasziniert. Schon als Kind. Wenn in unserem Landhaus, das eigentlich nur ein kleines Holzhaus auf einer Parzelle bei Berlin war, an einem hellen Sommermorgen das Licht durch die Ritzen der Fensterläden fiel und mich aus dem Schlaf weckte, dann wusste ich, dass ein wunderbarer, neuer Tag vor mir lag. In den Lichtstreifen bewegten sich Staubteilchen. Ich wusste auch, dass mich das gleißende Licht blenden würde. Ich hatte schon immer sehr empfindliche Augen. Ich trat blinzelnd in das Licht hinaus, an das sich die Augen nur langsam gewöhnen konnten. So begann ich meinen Tag, in all den Erwartungen und Wundern der frühen Jahre.

Ich denke, dass man „Komorebi“ verstehen kann als “Lichflecken“, die sich - wenn die Sonne hoch steht - scharf konturiert auf dem Boden abzeichnen. Das Wort „Lichtflecken“ habe sich zum ersten Mal bewusst gehört im Kunstunterricht. Es wird in der 12. Klasse gewesen sein. Wir sprachen über die Deutschen Impressionisten. Liebemann, Slevogt, Corinth. Die hätten das Motiv der Lichtflecken in ihren Bildern gern dargestellt. Ich fand das nicht besonders interessant. Bis ich selbst an einem sonnensatten Sommertag in einer Berline Allee vor mir auf dem Boden Lichtflecken entdeckte. Vielfältig geformt. Manche gezackt. Eigentlich nichts Besonderes. Und doch eine wunderbare Entdeckung. Etwas, was immer schon da war, und doch zum ersten Mal bewusst wahrgenommen wurde.

Wer kennt ihn nicht: den „Papageienmann“ von Max Liebemann? Im Jahre 1902 gemalt. Eine Szene aus dem Berliner Zoo. Der Papageienwärter, in blauer Jacke und mit Mütze, leicht nach vorn gebeugt, reckt er sich hoch zu dem Tier, das vor ihm auf der Stange sitzt. Mit der linken Hand hält er - an der Hüfte - einen Rahmen, auf dem sich zwei weitere Vögel befinden. Der Mann, in seiner Art, eine eindrucksvolle Erscheinung, nicht zuletzt durch den buschigen Schnurrbart, den er trägt. Ein Mann, der seine Arbeit versteht und wohl auch gern verrichtet. Ein Mensch, dem man zutraut, dass er seine Tiere gut versorgt. Das ist das eine, was das Bild so faszinierend macht: die Gestalt des Wärters in seiner Schlichtheit und seiner inneren Ruhe, die sie ausstrahlt. Das Andere ist das Licht als Faszinosum. Hell und Dunkel prägen das Bild. Die Bäume der Allee dämpfen das Licht eines sonnendurchstrahlten Sommertages. Und: auf dem Boden: Lichtflecke, die über das ganze Bild verteilt sind und wie helle Inseln in der Beschattung wirken.

Es ist Jahrzehnte her - eigentlich ein ganzes Leben -, dass ich zum ersten Mal den „Papageienmann“ gesehen habe. Ich wusste damals nicht, was „Komorebi“ bedeutet: Licht, das durch das Laub der Bäume fällt. Woher auch? Heute weiß ich es. Und ich weiß, dass das Faszinosum Licht den Künstler in Japan genauso in seinen Bann zieht wie den Maler auf der anderen Seite der Erdkugel. Ich finde das bemerkenswert und irgendwie tröstlich.




 

★ Ausstellung "KOMOREBI"

29.05.-28.08.2022

Japanische Kalligraphie und Sumie von Yuki Klink

Veranstaltung von

KULTURFORUM BORGFELD im Bürgerverein Borgfeld e.V.


Ausstellung KOMOREBI vom Blogger



Drache

Vernissage

am Sonntag 29.05. um 15 Uhr


Eröffnungsrede: Kunstpädegoge

Waldemar Krahl

Komorebi bedeutet in etwa "Sonnenstrahlen durch die Bäume" im japanischen Sprachgebrauch.
Das ist ein sehr beliebtes Wort für Japaner, die sich so an eine angenehme Erholungspause erinnern.

Schwingende Schatten und Sonnenlicht, vielleicht unter einem großen Kastanienbaum, ähneln der Linie der Tusche auf weißem Papier. Diese Atmosphäre kann dem Betrachter einen ruhigen, gemächlichen Moment schenken.


Kaligraphie Galerie


Video


Haiku von Akira Kurosawa


















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