Ohaijo gozaimas Nippon
6852 Inseln, vom subtropischen Strand bis zu den Skigebieten, man hat alle Möglichkeiten hier.
Und über allem tront Fujijama San und der Kaiser.
Kultur, Geschichte, Hochtechnologie,
Samurai und Damaszenerklingen wie sie seit hunderten von Jahren von Schmiedemeistern gefertigt werden,
Sushi, hier ein Modeessen, in Japan von Spitzenkön-
nern gefertigt, die Ausbildung braucht acht lange Jahre.
Die Geheimnisse einer guten Sojasauce, über Generationen weitergegeben.
Mochi und Teezeremonie, Computer und Kalligraphie,0
Shinkansen und Geishas, japanischer Wiskie und Miso Ramen, Roboter und Zen, Pachinko und Kabuki.
Und die Filme Akiro Kuruzawas.
Mich erstaunt Japan und seine Menschen,
Mich verblüfft Japan und seine Menschen,
Mir geben Japan und seine Menschen Rätsel auf.
Ich fühle mich Japan und seinen Menschen verbunden.
Aber trotz allem:
Ich mag kein Sake und ich kann keine Haikus.
Ich sitze am Ufer des Sees, meine Angel ist
ausgeworfen.
Die Morgensonne schiebt vorsichtig den Nebel
beiseite, sie scheint durch die riesige alte Linde
hinter mir.
Dabei malt sie Sonnenkringel auf Ufer und Wasser.
Vorsichtig verbeugt sich die Pose, dann verschwindet
sie in einer gleitenden Bewegung unter der Wasser-
Oberfläche.
Der Nebel hat sich verzogen und die Sonnenkringel
werden intensiver.
Ich hole die Angel ein.
Ein wunderschön gezeichneter Flußbarsch, seine roten Flossen leuchten als würden sie brennen.
Ich befreie ihn vorsichtig vom Haken und setze ihn ins
Wasser zurück.
Kein Moment zum Sterben.
Was für ein Tag !
Komorebi !
********** Texte von Jürgen Linke **********
Impressionen einer
Vernissage
Wir schreiben den 29. Mai 2022. Es
ist ein Sonntag und der Tag von Yukis Vernissage in den Räumen des
Borgfelder Stiftungsdorfes. Ein guter Ort, der schon manche
Ausstellung von Künstlerinnen des Kulturforums Borgfeld gesehen
hat. In wenigen Minuten, um 15:00 Uhr, ist Eröffnung. Die ersten
Besucher sind schon da. Renate bietet Orangensaft an. Yuki, festlich
gewandet, eilt durch den Raum. Hierin, dorthin, um noch Dinge zu
richten und letzte Hand anzulegen. Flink ist sie und anmutig in der
Bewegung.
Der Raum füllt sich. Männer tragen
keine Schlipse mehr. Warum auch? Selbst den Bundeskanzler und seine
Regierungsmänner sieht man meist oben ohne. Das lockert die
Atmosphäre. Auch hier im Ausstellungsraum. Small talk mit einem Glas
Saft in der Hand. Fast wie in einer der großen Galerien in Paris
oder London oder New York. Da kann Borgfeld schon ein bisschen
mithalten.
Ich nutze die Zeit bis zur Eröffnung
für einen ersten Rundgang. An den Wänden sind Kleinformate gehängt
mit kaligraphischen Motiven. Sind das alles Schriftzeichen mit einer
bestimmten Bedeutung? Oder Phantasiegebilde, deren Entstehung von
einem Schriftzeichen ausgelöst, provoziert wurde? Ich weiß es
nicht. Aber es interessiert mich. Ich nehme mir vor, Yuki zu fragen,
wenn dazu Gelegenheit ist.
Vor einem Bild verweile ich. Yuki
hat mir einmal erklärt, dass die japanischen Schriftzeichen, die
eigentlich chinesische sind, häufig stilisierte Formen von konkreten
Dingen sind, etwa von einem Tier oder einer Pflanze. Mit etwas
Phantasie kann man das zugrundliegende Bild rekonstruieren. Ob das
hier auch geht? Ich bewege mich vor und zurück, nach links und
rechts, um das Bild zu studieren. Plötzlich sehe ich eine Tänzerin,
mit Ballettröckchen, auf den Zehen spitzen des einen Fußes eine
Pirouette drehen. Der Körper leicht nach links gebeugt, ein Knie an
gewinkelt. Eine graziöse Pose. Was aber soll der große Kreis, der
wie ein gewaltiger Wasserkopf auf dem zierlichen Körper sitzt? Ich
weiß, dass diese Frage - vielleicht schon die Assoziation -
ungehörig sind. Vermutlich sieht ein anderer Betrachter etwas völlig
anderes in dem Bild. Dann passt der Kreis auch besser. Wie dem auch
sei. Das Bild fasziniert mich. Ich trenne mich erst, als Renate das
Wort ergreift, um die Besucher zur Eröffnung der Ausstellung zu
begrüßen.
Renate
begrüßt, als Organisatorin der Ausstellung, die Gäste. Dann kommt
Yuki. Auch sie fasst sich erfrischend kurz. Ein paar Worte zum Thema
der Ausstellung. Wer weiß schon, was „M….“ heißt? Das muss
erläutert werden. Einige Bemerkungen zu den Bildern. Das ist alles.
Da ist ein Besucher, der selbst Kalligraphie macht, schon etwas
ausführlicher. Offensichtlich jemand, der schon in Yukis Seminaren
zur Kalligraphie gesessen hat und Freude an der Arbeit mit Tinte und
Pinsel gefunden hat. In der Schar der Besucher sind auch Damen, die
sich als Kalligraphie-Begeisterte zu erkenne geben. Mir will
scheinen, dass sich unter den Besuchern eine Art Fangemeinde
befindet, die sich in besonderer Weise für Yukis Kunst interessiert
und sich bemüht, es der Meisterin gleichzutun. So gut es eben geht.
Ich kann das gut verstehen. Nach den
einführenden Reden habe ich Muße, Yukis Arbeiten in aller Ruhe zu
betrachten. Und: ich bekomme Lust, selbst solche Bilder zu machen.
Ohne Zwang zur Gegenständlichkeit. Ich stelle mir vor, wie ich mit
den traditionellen Werkzeugen der Kalligraphie umgehe: Pinsel,
Reibschale, Tusche. Ob ich die Reibschale benutzen werde, weiß ich
nicht. Ich glaube nicht, dass ich die Tusche selbst anrühren werde.
Schon gar nicht mit Wein. Das soll es gegeben haben - habe ich bei
Wikipedia gelesen.
Ich stelle mir vor, wie ich - ganz
konzentriert auf mein Werk - über das Papier gebeugt das Bild
entstehen lasse. Jetzt gibt es nur noch den Bogen vor mir. Ich bin
gewissermaßen versunken in mein Tun. Das muss wunderbar sein. Führe
ich den Pinsel? Oder werde ich geführt? Ich kann mir vorstellen,
dass das Malen auch eine entlastende Funktion für die Seele hat.
Darüber habe ich nichts bei Google gefunden; gleichwohl meine ich,
eine spirituelle Dimension in den Bildern und in der Vorstellung von
ihrer Entstehung zu entdecken. Ich denke schon, dass Kalligraphie
helfen kann, zu innerer Ruhe zu gelangen. Die brauchen wir alle so
dringend. Ich sollte mich auch in dieser Kunst üben.
„Komorebi“.
Unter diesem Thema steht Yukis Ausstellung. Ich hatte - woher auch -
keine v Vorstellung, was dieses japanische Wort bedeutet. Yuki
erklärte mir, das sind Effekte, die entstehen, wenn Licht durch das
Laub von Bäumen fällt.
Licht hat mich schon immer
fasziniert. Schon als Kind. Wenn in unserem Landhaus, das eigentlich
nur ein kleines Holzhaus auf einer Parzelle bei Berlin war, an einem
hellen Sommermorgen das Licht durch die Ritzen der Fensterläden
fiel und mich aus dem Schlaf weckte, dann wusste ich, dass ein
wunderbarer, neuer Tag vor mir lag. In den Lichtstreifen bewegten
sich Staubteilchen. Ich wusste auch, dass mich das gleißende Licht
blenden würde. Ich hatte schon immer sehr empfindliche Augen. Ich
trat blinzelnd in das Licht hinaus, an das sich die Augen nur langsam
gewöhnen konnten. So begann ich meinen Tag, in all den Erwartungen
und Wundern der frühen Jahre.
Ich denke, dass man „Komorebi“
verstehen kann als “Lichflecken“, die sich - wenn die Sonne hoch
steht - scharf konturiert auf dem Boden abzeichnen. Das Wort
„Lichtflecken“ habe sich zum ersten Mal bewusst gehört im
Kunstunterricht. Es wird in der 12. Klasse gewesen sein. Wir sprachen
über die Deutschen Impressionisten. Liebemann, Slevogt, Corinth. Die
hätten das Motiv der Lichtflecken in ihren Bildern gern dargestellt.
Ich fand das nicht besonders interessant. Bis ich selbst an einem
sonnensatten Sommertag in einer Berline Allee vor mir auf dem Boden
Lichtflecken entdeckte. Vielfältig geformt. Manche gezackt.
Eigentlich nichts Besonderes. Und doch eine wunderbare Entdeckung.
Etwas, was immer schon da war, und doch zum ersten Mal bewusst
wahrgenommen wurde.
Wer kennt ihn nicht: den
„Papageienmann“ von Max Liebemann? Im Jahre 1902 gemalt. Eine
Szene aus dem Berliner Zoo. Der Papageienwärter, in blauer Jacke und
mit Mütze, leicht nach vorn gebeugt, reckt er sich hoch zu dem Tier,
das vor ihm auf der Stange sitzt. Mit der linken Hand hält er - an
der Hüfte - einen Rahmen, auf dem sich zwei weitere Vögel befinden.
Der Mann, in seiner Art, eine eindrucksvolle Erscheinung, nicht
zuletzt durch den buschigen Schnurrbart, den er trägt. Ein Mann, der
seine Arbeit versteht und wohl auch gern verrichtet. Ein Mensch, dem
man zutraut, dass er seine Tiere gut versorgt. Das ist das eine, was
das Bild so faszinierend macht: die Gestalt des Wärters in seiner
Schlichtheit und seiner inneren Ruhe, die sie ausstrahlt. Das Andere
ist das Licht als Faszinosum. Hell und Dunkel prägen das Bild. Die
Bäume der Allee dämpfen das Licht eines sonnendurchstrahlten
Sommertages. Und: auf dem Boden: Lichtflecke, die über das ganze
Bild verteilt sind und wie helle Inseln in der Beschattung wirken.
Es ist Jahrzehnte her - eigentlich
ein ganzes Leben -, dass ich zum ersten Mal den „Papageienmann“
gesehen habe. Ich wusste damals nicht, was „Komorebi“ bedeutet:
Licht, das durch das Laub der Bäume fällt. Woher auch? Heute weiß
ich es. Und ich weiß, dass das Faszinosum Licht den Künstler in
Japan genauso in seinen Bann zieht wie den Maler auf der anderen
Seite der Erdkugel. Ich finde das bemerkenswert und irgendwie
tröstlich.